(Früh-) Sommer – Kopfzerbrechen

Der Fall – Jung und ohne Vorerkrankungen wird eine Patientin auf die Notfallstation gebracht. Fieber und Kopfschmerzen wie noch nie quälen sie seit einigen Stunden. Obwohl Sommer 2020 und in aller Munde: für einmal sicher kein COVID-19.

Eine FSME kann im Verlauf diagnostiziert werden. Wie in 1/3 der Fälle, konnte sich auch diese Patientin allerdings nicht an einen Zeckenstich erinnern. Die Patientin litt während der Hospitalisation unter stärksten Kopfschmerzen und Fotophobie. Es war ein langwieriger und eindrücklicher Verlauf. Deswegen – quasi aus aktuellem Anlass – ein kurzes SommerUpdate zu Diagnose, Verlauf und Therapie der FSME (Früh-Sommer-Meningoenzephalitis) / TBE (Thick-borne Enzephalitis)

Einmal mehr ist die Anamnese der Schlüssel zur Diagnose. Die FSME verläuft zweigipflig mit einer Inkubationszeit durchschnittlich von 7 – 14 Tage. An den Zeckenstich können sich die wenigsten Patienten erinnern, da hilft die Anamnese nur insofern, ob der Patient ein „Risikopatient“ für Zeckenkontakt ist. Aber die Geschichte – wie sie auch unsere Patientin berichtet hat – mit Fieber, Unwohl, Müdigkeit für einige Tage, dann afebril für 8 Tage mit erneutem Fieber und neu massiven Kopfschmerzen ist eigentlich schon der Schlüssel zur richtigen Diagnose.

Im Sommer 2-gipflig krank

Die Laborwerte helfen wenig, möglicherweise liegt eine leichte Leukocytopenie und wenig erhöhtes CRP vor.

Wie bestätigen wir die Diagnose? Bildgebend finden wir keine Hilfe: MRI und CT zeigen keine typischen Hinweise für eine FSME. Allerdings hilft, und diese Untersuchung ist zwingend, eine Liquorpunktion: es liegt eine Pleocytose vor. Allerdings CAVE: die PCR im Liquor ist in der enzephalitischen Phase negativ . Der Nachweis von IgM und IgG im Serum ist der Gold – Standard. Deswegen nicht verwirren lassen, wenn die PCR im Liquor negativ rückgemeldet wird. Serologie im Serum abwarten:

A case of TBE is defined by the presence of clinical signs of meningitis, meningoencephalitis or meningoencephalomyelitis with cerebrospinal fluid (CSF) pleocytosis (>5 x 106 cells/l) and the presence of specific TBEV serum immunoglobulin M (IgM) and IgG antibodies, CSF IgM antibodies or TBEV IgG seroconversion. TBEV-specific polymerase chain reaction in blood is diagnostic in the first viremic phase but it is not sensitive in the second phase of TBE with clinical manifestations of CNS inflammation. “ (1)

Risikogebiete: im Wald, im Unterholz, im eigenen Garten. Hobbygärtner, Waldarbeiter, Jogger sind gefährdet – nicht aber die Bergwanderer: 2000 Meter über Meer gibt es keine Zecken.

BAG, aktuelle Zahlen – 2020 ist ein aktives FSME – Jahr

Therapie: nur symptomatisch und 1/3 der Patienten leiden längerfristig an neurologischen Ausfällen. Unsere Patientin hat von Pregabalin zur Therapie der Kopfschmerzen (neben Opiaten) sehr gut profitiert.
Immunität & Prophylaxe: Einmal erkrankt, besteht lebenslange Immunität. Die Impfung ist die beste Prophylaxe.


Das nehme ich aus diesem Fall mit:
Anamnese: gezielt nach 2gipfligem Verlauf fragen
Diagnose: Serologie im Serum abwarten (Die PCR im Liquor ist nicht hilfreich – im Gegensatz zu anderen viralen Enzephalitiden)
Therapie: Pregabalin als Option bei therapierefraktären Kopfschmerzen

1. EAN consensus review on thick-borne Enzephalitis, Eur J Neurol 2017
2. Thick-borne Enzephalitis, Lancet 2008
3. Homepage BAG
4. www.pexels.com

Verfasst von:
Elisabeth Weber

Elisabeth Weber ist seit dem Studium der Medizin als Spitalinternistin tätig. Als Kaderärztin war sie am UniversitätsSpital Zürich, Spital Männedorf und am Stadtspital Waid und Triemli tätig. Seit Mai 2020 ist sie Chefärztin der Klinik Innere Medizin Standort Waid.

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Elisabeth Weber & Lars C. Huber