Weltweit zeigt sich über die vergangenen Jahre eine kontinuierlich abnehmende Autopsierate. Die Gründe dazu sind vielfältig: die anfallenden Kosten, die Angst vor medikolegalen Folgen, die Fortschritte in Laboranalysen und bildgebenden Verfahren und, damit einhergehend, ein überschätztes Vertrauen in die prämortale klinische Diagnostik („overconfidence“) – durch das Fehlen eines Goldstandards wird die Sensitivität der klinischen Diagnostik nämlich automatisch überschätzt. Eine zentrale Rolle nimmt auch das Gesprächs mit den Angehörigen („motivational interview“) ein (siehe Rosenberg et al).
Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen klinischer und autoptisch bestätigter Diagnose in fast 25% der Fälle grössere Diskrepanzen bestehen – will heissen: die korrekte Diagnosestellung hätte das prämortale Management und den weiteren Verlauf relevant beeinflusst. Die häufigsten Diskrepanzen betreffen dabei die Diagnosen Myokardinfarkt, Lungenembolie und Pneumonie. Interessant: in beinahe einem Fünftel der Fälle wird zum Feststellen der Todesursache eine mikroskopische Untersuchung benötigt. Bedenkenswert: bereits 1983 hat Goldman in einer seminalen Analyse praktisch identische Resultate publiziert – auch seinen Konklusionen gibt es wenig Neues hinzuzufügen .
„Our findings suggest that the current very low autopsy rate in many hospitals is inappropriate and that the autopsy will continue to uncover many shortcomings in both medical and surgical diagnoses.„
Goldman et al, N Engl J Med, 1983
Die Autopsie ist nach wie vor der diagnostische Goldstandard und damit ein wichtiges Instrument für unsere Qualitätskontrolle und die medizinische Weiterbildung. Insofern freut es mich, dass die Autopsierate von Patienten der Klinik Innere Medizin am Standort Triemli erstmals seit 2007 eine Trendumkehr aufweist und 2019 wieder >10% lag.
Literatur
- Goldman L et al, N Engl J Med, 1983;308:1000-5
- Goldman L, Circulation. 2018;137:2686–8
- Rosenberg et al, Swiss Med Wkly. 2018;148:w14679
- Kuijpers CCHJ et al, J Clin Pathol 2014;67:512–9