Good medicine does not consist in the indiscriminate application of laboratory examinations to a patient, but rather in having so clear a comprehension of the probabilities of a case as to know what tests may be of value.
George W. Peabody, 1922
Im Vintage-Paper von Casscells et al wird anhand einer kleinen Gruppe von Ärzten und Medizinstudenten der Frage nachgegangen, wie Laborresultate im klinischen Kontext interpretiert werden. Auch wenn es diese Studie mit dem entsprechenden Design und einem eher kleinen „n“ heute wohl kaum mehr ins „N Engl J Med“ schaffen würde – sie ist kurz, pointiert, lesenswert.
Neben wichtigen Begrifflichkeiten (Bayes Theorem, Gauss’sche Verteilung der biologischen Variation, Standardabweichung, falsch positive und negative Resultate) werden wir in diesem Paper v.a. wieder einmal an die Limitationen der Labordiagnostik erinnert: Kosten, Risiken, Folgeuntersuchungen, Verunsicherung (oder falsche Sicherheit).
Zudem: Several physicians expressed an unquestioning – actually a pseudoscientific – faith in laboratory diagnosis. Offen bleibt, ob sich diese Situation heute anders präsentiert als vor vierzig bzw. (mit Blick auf das Eingangszitat) vor hundert Jahren – aber irgendwie kommen mir die Argumente bekannt vor.
„Recognizing the complexity of clinical skills reminds us that not all that counts in medicine can be counted, and not all that can be counted counts.“
Mangione, Cleveland Clin J Med 2019
Als Reminder deshalb: ohne Berücksichtigung der Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen oder Fehlen einer bestimmten Krankheit ist das Resultat eines jeden medizinischen Tests nicht interpretierbar. Die Formulierung der Vortestwahrscheinlichkeit geschieht aus der Synthese aller verfügbaren Informationen – vereinfacht auch als „clinical Gestalt“ bekannt. Bei den meisten Patienten genügt zur richtigen Diagnosestellung die Kombination von Anamnese, Untersuchung und Basistests.
Es wird den Internisten – mit seiner Fähigkeit zum probabilistischen Denken – deshalb auch im Zeitalter der künstlichen Intelligenz brauchen.
Literatur
- Casscells W et al, N Engl J Med 1978; 299(18):999-1001
- Paley L et al, Arch Intern Med 2011; 171(15):1394-6
- Kwan JL et al, J Gen Intern Med 2018; 33(12):2026
- Mangione S, Cleveland Clin J Med 2019; 86(7):440-2 (Link)