Vitamin D und Don Quixote

Vitamine dienen wie kaum eine andere Substanz als Projektionsfläche für unsere Gesundheit. Die Datenlage dazu rechtfertigt diese Rolle allerdings mitnichten – im Gegenteil. Dies gilt auch für den aktuell prominentesten Vertreter: das Vitamin D.

The sinking light of the „Sunshine Vitamin

Vitamin D supplementation did not have meaningful effects on fracture, falls, or bone mineral density, and future trials are unlikely to alter these conclusions. Therefore, there is little justification for the use of vitamin D supplements to maintain or improve musculoskeletal health, and clinical guidelines should reflect these findings“.

Dieser klaren Konklusion von Bolland et al (1) war bereits eine andere grosse Metaanalyse vorangegangen (2): Auch sie machte ein grosses Fragezeichen hinter den Nutzen von Calcium und Vitamin D-Supplementen und ihrer Rolle für das Risiko von Knochenbrüchen – und zwar unabhängig von Alter und Geschlecht der Patienten, unabhängig auch von Dosierung und Baseline-Vitamin D im Serum.

Es folgte eine weitere randomisierte Studie (3), durchgeführt an etwas mehr als 300 gesunden Erwachsenen zur Untersuchung der Effekte einer hoch- gegenüber einer niedrigdosierten Vitamin D-Gabe. Nach 3 Jahren zeigte sich eine signifikant tiefere Knochendichte in der Hochdosis-Gruppe – ein Hinweis darauf, dass eine hochdosierte Supplementation entgegen den Erwartungen und v.a. entgegen der Forschungshypothese sogar schädlich sein könnte.

Trotzdem scheint die Euphorie ungebrochen, die Kosten für Spiegelbestimmungen sind immens – 25-OH-VitD3 nimmt in den USA einen Spitzenplatz unter allen bestimmten Laborwerten ein – und auf den Medikamentenlisten unserer Patienten findet sich Vitamin D als häufiges Supplement ohne entsprechendes Korrelat in der Diagnoseliste.

Ein weites Feld

Das Feld hat sich noch weiter geöffnet – es sind verschiedene Studien zur Rolle von Vitamin D für die Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen und von Malignomen (4) bzw. zur Prävention von Diabetes mellitus Typ 2 (5) erschienen. Beide fielen negativ aus, ebenso eine Studie mit schwer kranken Patienten („critically ill“) mit nachgewiesenem Vitamin D-Mangel (6).

Erstaunt? Zur Erinnerung: es gibt bisher keine positive Interventionsstudie zu Vitamin D mit relevantem Endpunkt. Gemeinsam haben alle diese Studien aber: sie werden hochkarätig publiziert.

Fazit

Vitamin D sollte nur bei Risikopatienten für einen relevanten Mangel mit Folgekomplikationen eingesetzt werden. Dies trifft z.B. auf Patienten unter längerfristiger Steroidtherapie oder mit bekannter Osteoporose zu. Die Substitution braucht dann in der Regel auch keine vorgängige Spiegelmessung, denn die entsprechenden assays sind fehleranfällig und teuer. Für ein Screening zum Vorliegen eines Vitamin D Mangels und/ oder eine routinemässige Substitution gibt es hingegen keine Evidenz.

Vitamin D – hype or hope? I hope end of hype…

Literatur

  1. Bolland et al, The Lancet Diab & Endocrinol 2018; 6(11):847-58
  2.  Zhao et al, JAMA 2017; 318(24):2466-2482
  3. Burt et al, JAMA 2019; 322(8):736-745
  4. Manson et al, N Engl J Med 2019; 380:33-44
  5. Pittas et al N Engl J Med 2019; 381:520-30
  6. PETHAL, N Engl J Med 2019; 381:2529-40
Verfasst von:
Lars C. Huber

Lars C. Huber ist Internist und Pneumologe. Als Kaderarzt war er im Spital Lachen und im UniversitätsSpital Zürich tätig. Heute leitet Lars C. Huber das Departement Innere Medizin im Stadtspital Waid & Triemli und ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Standort Triemli in Zürich.

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